31. Dezember 2021

Anlagen überwachen mit Fledermausohren

Gemeinsam mit der Aurovis AG, KNF Flodos AG, maxon motor AG und Schurter AG hat das CSEM ein System zur Überwachung und Vorhersage von Ausfällen in Produktionslinien entwickelt. Die Methode basiert auf Techniken der künstlichen Intelligenz; aber auch ein Schalldetektor, wie er zum Nachweis von Fledermäusen rund um Windkraftanlagen genutzt wird, kommt zum Einsatz.

Bat detector to spot defects in production equipment

Druckleckagen, Reibung, ungewöhnliche Hitze oder Vibrationen: All dies kann auf Mängel hinweisen, die – wenn nicht rechtzeitig erkannt – zu erheblichen Störungen in industriellen Produktionslinien führen können. Wie aber erkennt man solche Anzeichen, ohne gleich die gesamten Anlagen überprüfen oder stilllegen zu müssen?

Um dieses Problem anzugehen, haben sich AurovisKNF Flodosmaxon und Schurter AG, vier grosse Zentralschweizer Unternehmen, zusammengetan, um mit dem CSEM ein autonomes, prädiktives System zu entwickeln.

Dieses ist in der Lage, die Funktionsfähigkeit von Produktionslinien zu überwachen und Störungen zu erkennen: Bei ungewöhnlichem Verhalten der Anlage folgt ein Alarm.

Nach mehr als zwei Jahren gemeinsamer Arbeit stellen die Ingenieurinnen und Ingenieure nun eine hochpräzise, einfach zu bedienende Software vor, die Anlagen überwacht und kritische Auffälligkeiten früh erkennt.

Dabei werden zunächst Anlagedaten genutzt, die schon verfügbar sind. Die Daten stammen von vorhandenen Messsystemen wie Kameras, Steuerungen, Temperatur- und Drucksensoren. Anhand dieser Datenbasis wurden die maschinellen Lernalgorithmen mit künstlicher Intelligenz darauf trainiert, ungewöhnliches und potenziell gefährliches Verhalten der Maschinen zu erkennen. CSEM nutzte hier sein Know-how – insbesondere die Plattform CSEM ViSARD –, um die vorhandenen Daten zu analysieren und eine flexible Softwarelösung zu entwickeln. Für den Einsatz bei einer neuen Produktionslinie beim Kunden benötigt man nun nur noch wenige Stunden an Datenakquisition, in denen die Maschine einwandfrei läuft.

«Je länger die Maschine produziert und je mehr Daten man hat, desto besser funktioniert die ganze Algorithmik», erklärt Mario Russi, R&D Engineer Robotics & Machine Learning am CSEM.

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Die Firmen Aurovis, KNF Flodos, maxon und Schurter AG, die in den Bereichen Robotik und Bildverarbeitungssysteme, Pumpen, Antriebssysteme bzw. Elektronikkomponenten tätig sind, stellten verschiedene Module wie Roboterarm, Förderband, Pumpen, Motoren und Steuerung zur Verfügung. So wurde im CSEM als Musteranlage eine vollautomatische «Pick-and-Place Robotikplattform» errichtet.  An ihr wurden die Algorithmen kontinuierlich weiter verbessert. Sie sind nun Kern einer präzisen, automatischen Software, bereit zum Einsatz an realen Systemen.

Von Windrädern zur Produktionslinie

Damit aber nicht genug: Nicht immer ist es möglich oder zulässig, die bestehende Sensorik zur Sammlung der Anlagenparameter zu nutzen. Um auch für solche Systeme eine performante Lösung zu erhalten, hat sich ein spezieller Sensor als sehr effizient erwiesen: ein von der Fledermaus inspirierter Schallsensor. Solche Sensoren werden eigentlich in der Umgebung von Windkraftanlagen eingesetzt. Sie ‘hören’ die Ultraschallsignale der Fledermäuse. Wenn sich die Tiere der Anlage nähern, werden Audioaufnahmen ausgelöst, die zur Erstellung von Abschaltalgorithmen benutzt werden.

Die von der Luzerner Elekon AG gelieferten Mikrofone können Frequenzen bis zu 150 kHz aufnehmen – im Gegensatz zum Menschen, welcher Schall bis etwa 20kHz hören kann. Bei der Testanlage am CSEM gelang es mit dem Fledermaussensor - ohne die Nutzung weiterer Signale - bis zu 80% aller Störungen zu erkennen. «Geräusche enthalten eine grosse Menge an Informationen. So wie ein Automechaniker den Motorgeräuschen anhört, in welchem Zustand ein Wagen ist, kann uns die Analyse der Geräusche, die von Industriemaschinen ausgehen, Aufschluss über zahlreiche Fehlfunktionen wie Leckagen, Lagerprobleme oder sogar Kamerafehlfunktionen geben», sagt Mario Russi. «Die Mikrofonmethode ist eine ideale Ergänzung, sie ist sehr einfach einzurichten und kann zusätzlich mit anderen Sensoren eingesetzt werden.»

Für die Projektpartner besteht der nächste Schritt darin, die Software und die Algorithmen im Feld einzusetzen. «Im Zeitalter von Industrie 4.0 setzt sich dieses Vorgehen immer mehr durch, denn es wird die Zuverlässigkeit der gesamten Produktionslinie deutlich verbessern und dadurch eine hohe Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen.»

Pressemitteilung